Welche Rolle spielt die Kamera in der Streetfotografie?

Hand aufs Herz – wer hat als Fotograf nicht auch schon mal diese ewigen Diskussionen mit anderen Fotografen geführt: Welche Kamera ist denn nun besser geeignet? Oder welcher Streetfotograf wurde nicht schon wenigstens einmal in seinem Fotografenleben mit der Frage gequält, welche Kamera er denn empfehlen könnte? Oder ob man nicht auch schon von diesem neuen Hyper-Hyper-Feature an der jüngsten Prime-Linse des Herstellers ABC gelesen hätte? Das kommt dir sicherlich bekannt vor.

Wenn man mit einer Gruppe von Fotografen durch die Stadt läuft, finden solche Gespräche nicht selten statt. Das ist zumindest meine Wahrnehmung bei unseren eigenen Photowalks, die wir mit unserem Kollektiv viermal im Jahr in Frankfurt am Main veranstalten.

Techtalk ist wichtig, aber nicht entscheidend

Versteh mich bitte nicht falsch, nicht, dass ich nicht gerne über Technik quatsche oder glaube, „Techtalk“ wäre sinnlos. Schließlich wäge ich bei jedem Equipment Kauf erstmal alle technischen Features gegenüber meinem Budget und Einsatzzweck ab. Aber darum geht es mir in diesem Artikel nicht. Heute will ich über den Kontrast zwischen der technikorientierten und der von der Kunst getriebenen Fraktion unter uns Fotografen sprechen, und ich will eine Lanze für die Kunst brechen. Ich will eine Frage in den Raum werfen und zum Denken anregen.

Schreib uns doch, rede mit uns

Außerdem erhoffe ich mir eine Diskussion mit dir. Lass uns ins Gespräch kommen. Sei es nun über die Kommentare hier im Blog, in unserer Facebook Gruppe Collateral Eyes – Street Photography Group oder gerne auch persönlich, vielleicht bei einem unserer nächsten Photowalks in Frankfurt.

Bei der Flut an grandiosen Fotos in der Streetfotografie und der Masse an bezahlbaren Kameras und Smartphones mit Profi-Features stellt sich mir die Frage nach der Wichtigkeit des Equipments:

Welche Rolle spielt die Kamera in der Streetfotografie?

Es ist wichtig, eine Kamera zu benutzen, die auch technisch in der Lage ist, den Moment, den ich sehe und wahrnehme, auf einer Speicherkarte oder einem analogen Film festzuhalten. Ohne eine funktionierende Kamera macht die Fotografie wirklich wenig Sinn. Bei diesem Punkt würde mir jetzt vermutlich jeder Fotograf sofort zustimmen oder vielleicht auch mit den Augen rollen und schmunzeln, weil das ja selbstverständlich ist. Aber vielleicht liest du den Satz erneut und legst den Schwerpunkt dieses Mal nicht auf das Wort „Kamera“.

Es ist wichtig, eine Kamera zu benutzen, die auch technisch in der Lage ist, den Moment, den ich sehe und wahrnehme, auf einer Speicherkarte oder einem analogen Film festzuhalten.

Wo liegt dein Schwerpunkt?

Um für die Fotografie Momente sehen und wahrnehmen zu können, die es wert sind, fotografiert zu werden, brauche ich mehr als nur eine Kamera. Eigentlich brauche ich dafür noch nicht einmal eine Kamera. Ich brauche vielmehr Neugier, Kreativität und den unbändigen Wunsch, diesen einen sehenswerten Moment auch wirklich sehen/entdecken zu wollen. Genauso hilft auch eine Vision, also eine Vorstellung von dem, was ich fotografieren möchte, auch bei der Bildgestaltung. Und ich brauche ein paar gute Laufschuhe, um regelmäßig und lange genug durch die Stadt zu laufen, um überhaupt diese Momente im Alltag zu finden.

Keine Frage, in diesem Prozess des Sehens, Entdeckens und Gehens benötige ich ein Werkzeug in der Hand. Aber letztendlich ist und bleibt es nur ein Werkzeug. Was nützt mir denn das wertvollste Pfannen- und Topf-Set, wenn ich nicht kreativ kochen kann, sondern nur in der Lage bin, nach Rezept Lebensmittel zusammenzustellen?!

Dieses Werkzeug muss meinen Ansprüchen genügen und mir helfen, das umzusetzen, was ich sehe. Welches Werkzeug aka. Kamerasystem man schlussendlich in der Streetfotografie benutzt, ist relativ Wurst. Viel wichtiger ist es, dieses Werkzeug im Schlaf zu beherrschen. Oder um es mit den Worten von David duChemin zu sagen:

Je weniger wir unsere technischen Mittel beherrschen, desto wahrscheinlicher ist es, dass wir zwar Sätze hervorbringen, aber keine Poesie erschaffen.

Und auch bei diesem Zitat liegt der Schwerpunkt nicht in den technischen Mitteln. Hast du das Wort Poesie gelesen? Streetfotografie ist Kunst und die Poesie, die wir erschaffen, sind die wunderschönen Momente im Alltag, um die es wirklich geht.

Ideen zum Nachdenken

Ja, diese Momente im Alltag brauchen eine Kamera. Aber ohne deinen Blick für das Wesentliche schaffen sie es maximal als Schnappschuss in die Ewigkeit. Hier sind einige Fragen, die dir vielleicht helfen, eine andere Sichtweise auf dieses Thema zu entdecken:

  • Wann bist du das letzte Mal in der Stadt gewesen und hast ausgiebig nach dem einen entscheidenden Moment gesucht, ohne auf deine Kamera, die Einstellung etc. zu achten?
  • Oder wann hast du das letzte Mal nach dem wirklich schönen Licht Ausschau gehalten, ohne ständig den Weißabgleich der Kamera zu kontrollieren?
  • Oder dir vielleicht auch schon mal vor dem Fotografieren ein Bild (in Gedanken) vom Foto gemacht?

Ich lasse dieses Thema mal bewusst offen und schließe mit der Frage ab:

Siehst du dem Foto an, mit welcher Kamera es aufgenommen wurde?

Rückwärtssuche als Fazit

Um es pragmatisch anzugehen, habe ich mir folgendes Spiel überlegt. Ich zeige dir nun zwölf unserer Fotos. Sechs Fotos zeigen je ein Street-Motiv, die anderen sechs die dazugehörige Kamera, mit der das Foto aufgenommen wurde. Deine Aufgabe wird es sein, die richtige Kamera zu dem jeweiligen Bild zuzuordnen. Und außerdem lernst du somit auch uns als Kollektiv besser kennen, da dies unsere Kameras und Fotos sind 🙂

Siehst du dem Foto an, mit welcher Kamera es aufgenommen wurde?

Written by Ivan Slunjski