Frauen an der Kamera

Ja, ich weiß, ich bin hier die Quotenfrau. Aber ich weiß auch, daß ich nicht bei Collateral Eyes bin, weil ich eine Frau bin, sondern weil den Jungs meine Bilder gefallen. Das haben sie mir gesagt, und das glaube ich ihnen natürlich auch. Und ich weiß, daß es in Sachen Fotografie kein Quotenfrauen-Ticket gibt. Es ist nämlich immer noch ein ziemlicher Jungs-Verein, der sich lieber mit Technik als mit Fotografie beschäftigt – also dem, was da am Ende zu sehen ist, wenn man diese Kamera auch mal benutzt, über die man so lange und ausführlich debattiert hat.

Tatsächlich sollte es einmal ein Fotografiemagazin nur für Frauen geben. Es hieß „Camerawoman“, und wie ich es fand, habe ich an anderer Stelle deutlich gemacht (es ging sehr viel um Haustiere, Essen, Fashion, Promis). Denn wenn Frauen nicht gerade als Körperteil auf Bildern vorkommen, sind sie unbedarfte Wesen, die man ans Händchen nehmen muß, damit sie ihre Blümchen halbwegs scharf knipsen können. Weil fotografierende Frauen nicht den ganzen Tag über ihre Kameras reden, heißt das ja, daß sie von solchen Dingen keine Ahnung haben. (Ha, von wegen!)

Egal, ob Youtube-Channel, ob Podcast, ob Druckerzeugnis: Frauen tauchen meistens als Model auf (wenn man Glück hat, sieht man wenigstens ihr Gesicht und nicht nur ihren Hintern) oder als ahnungslose Schülerchen, denen man etwas erklären muß. Wenn Kameras (also keine Kompaktknipsen) beworben werden, wird gern eine Welt beschworen, in der männliche Abenteurer in fernen Weltgegenden unter widrigen Umständen die Bilder machen, die sonst angeblich keiner macht, schon gar nicht die Einwohner dieser fernen Weltgegenden, auch wenn die längst selbst alle eine Kamera bedienen können. Nirgends ist so viel ungetrübtes Testosteron wie in der Fotografie, nirgends sonst feiern die Klischees, die anderswo längst eingemottet sind, noch immer eine Würstchenparty nach der anderen. Hier darf der Kerl noch Kerl sein, herrlich.

Nur leider nicht mehr so ganz unwidersprochen. Katja Kemnitz, Herausgeberin des Magazins Kwerfeldein, ärgerte sich vor ein paar Monaten mal recht öffentlich über die Förderprogramme der Kamerahersteller. Der Twitteracount https://twitter.com/womenphotograph, der hiermit wärmstes empfohlen sei, tut nichts anderes, als nichtmännliche Fotografen zu zeigen und ab und zu den Finger in eine der vielen klaffenden Wunden zu legen.

Frauen und Technik: Hoffentlich finden sie den Auslöseknopf.

Nun dürfen Frauen ja wenigstens noch ab und zu eine Hochzeit fotografieren oder ein paar Porträts, also alles was menschelt, aber in Sachen Street wird es ganz schnell ganz finster. Street ist was für Jäger, da wird gelauert und zugeschlagen, da geht es schon sprachlich ganz martialisch zu. Googelt man aktuelle Best-of-Listen, dann kommt man meistens auf etwa eine Frau unter fünfzehn oder zwanzig. Ich habe keine Ahnung, ob in irgendeinem deutschen Podcast schon einmal eine Frau über Straßenfotografie sprechen durfte, ich höre sehr viele Podcasts, und mir ist keine in Erinnerung geblieben. International gibt es da immerhin Valerie Jardin.

In der englischsprachigen Wikipedia-Liste der Straßenfotografen (https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_street_photographers) kommen auf 197 Fotografen insgesamt 24 Frauen, also rund ein Achtel, und da sind deutsche Altmeisterinnen wie Barbara Klemm, Ilse Bing oder Abisag Tüllmann nicht einmal vertreten. Ebensowenig übrigens Polly Braden oder Melanie Einzig, für die schlichtweg noch niemand eine Wikipediaseite angelegt hat. Was um Himmels Willen läuft da schief?

Unser Kollektiv hat mit mir als einer von sieben damit also eine erstaunlich gute Quote. Super vorbildlich und gar nicht genug zu loben ist übrigens das Deutsche Street Photography Festival: In der Jury zum Wettbewerb sitzen vier Frauen und vier Männer (https://www.germanstreetphotographyfestival.com/foto-wettbewerb/). Mir fällt sowas auf, und ich freue mir darüber einen Ast ab, ehrlich. Vor allem sagt mir das, daß es ja geht, wenn man sich ein bißchen Mühe gibt und man nicht immer dieselben drei Buddys einlädt, die eh schon überall dabei sind. Sich nach guten Fotografinnen umzuschauen verlangt ein wenig mehr Mühe, dafür entdeckt man ab und zu was Neues.

Nur keine Vorurteile: Eventuell entsteht hier gerade große Kunst

Wer jetzt wissen will, was Frauen mit Kameras so anfangen, wenn sie erstmal kapiert haben, wie sie die richtig bedienen, der kann sich zum Beispiel hier umschauen:

Women Street Photographers you should follow on the web

20 Female Street Photographers to Follow in 2018

Flickr-Gruppe Double X Street

http://womeninstreet.com und https://www.instagram.com/womeninstreet

The female street photographers of Instagram

https://www.instagram.com/womenstreetphotographers

Und ein paar persönliche Empfehlungen: Gisele Duprez – Anna CampsLilla VajdaMartine LanserVanessa PallottaEleonore Simonm.Asli GönenDanielle HoughtonMaria MoldesMichelle RickTatum WulffRebecca WiltshireSimone de PeakKatarzyna KubiakMarina KoryakinJulie HrudovaOlesia KimKate KirkwoodAndrea Torrei

Und als Bonus – Straßenfotografinnen im deutschsprachigen Raum: Susanne Baumgartner –  Birka WiedmaierSteffi LöfflerElisabeth SchuhHeike Frielingsdorf Efi Longinou